Am Jakobsweg findet man zu sich selbst. Das erfordert viel Kraft, nicht zuletzt, weil nicht immer alles so schön ist, wie man glaubt. Aber lest selbst.
Es wird ernst, ich packe meinen Rucksack und wiege jedes Stück penibel ab. Unter 10 kg, lese ich im Reiseführer, muss der Rucksack wiegen. Meine Kleidung kommt auf gerade einmal 2200g.
Mein neuer Rucksack wiegt 1700g, der Schlafsack 1200g, die Regenausrüstung 900g. Meine Wandersandalen 500g und das Erste Hilfe-Zeug satte 600g. Obwohl mit Miniartikeln ausgestattet, komme ich bei den Toilettartikel noch immer auf 400g. Und die weiteren Utensilien (Tachenmesser, -lampe, Brillen) machen 550g aus. Schwer wiegt die Technik, also Fotoapparat, Handy und Tablet samt Ladegeräten: 1200g
Ankunft in Sevilla: Sightseeing ist angesagt. Hier steht die größte gotische Kirche Europas und die weltweit drittgrößte. Darin sind ein paar Gebeine von Christoph Columbus aufgebahrt. Auf den Bäumen in der Stadt wachsen Orangen und Zitronen. Richtig idyllisch. Morgen früh geht es los. gut, dass mich eine Freundin die 1. Woche begleitet.
1.Tag am Jakobsweg „Via de la Plata“, 1. März: Sevilla – Guillena, 22 km. Die Strecke ist eher fad aber ok. Die Herberge wird gerade neu eröffnet – ÜN € 10,–, absolut perfekt. Nur die Häuser sind kalt wie Kühlschränke. Vielen Dank an Angelika für den Tipp, unbedingt einen guten Schlafsack mitzunehmen. Die Investition hat sich absolut gelohnt. Tagsüber ist es sehr heiß – wahrscheinlich um die 25 Grad.
2.Tag: Guillena – Castilblanco de los Arrayas, ca. 18 km. Wir sind gegen 9 Uhr gestartet und um ca. 15 Uhr angekommen, Pausen inklusive. Die heutige Strecke war sehr schön. Wir werden zum 1. Mal in einem Schlafsaal übernachten. Zwar gibt es in der Nähe ein Hotel, aber die Erfahrung mit dem Schlafsaal lassen wir uns nicht entgehen . Morgen wird es anstrengend – über 30 km – aber noch sind unsere Füße heil – der Rucksack wird aber immer schwerer.
3.Tag: Castilblanco -Almaden, ca. 31 km. Am Anfang verlief der Weg recht langweilig einer Landstraße entlang – die zweite Etappe führt jedoch durch einen wunderschönen Nationalpark. Hier wachsen Korkeichen. Die Rinde wird für die Korkgewinnung abgeschält und die Eicheln fressen die Schweine, die dadurch eine schwarze Farbe annehmen. Die Spezialität hier, Schinken! Wir sind recht wenige am Weg, nur ca vier Pilger*innen und in der Unterkunft waren wir ganz alleine. Ganz anders als am Hauptweg im Norden – da sind anscheinend Massen unterwegs und die Schlafsäle mit bis zu 80 Personen rammelvoll.
4. Tag: Almaden – El Real de la Jara, ca. 14 km. Heute ist die Strecke wieder gemütlich und die Gegend wird immer schöner. Jetzt kennen wir schon ein paar Pilger – denn in jedem Dorf begegnet man immer den gleichen. Trotzdem ist es noch sehr einsam. Heute ist uns zum ersten Mal eine organisierte Gruppe untergekommen. Die Wege sind genial ausgeschildert. Und sollte man einmal ein paar Meter falsch gehen, bringen einen die Spanier gleich wieder auf den richtigen Weg. Pilgern fühlt sich heute unglaublich schön an.
5.Tag: Monasterio, ca. 22km. Die Hälfte der Strecke war landschaftlich wieder ein Traum, die 2.Hälfte dafür nicht so schön. Heute war es zum ersten Mal auch tagsüber sehr kaltt – die Kleidung hat sich bisher bewährt.
6. Tag: Monasterio – Fuente de cantos, ca 22. km. Ich bin allein unterwegs. Meine liebe Freundin hatte nur eine Woche Zeit mich zu begleiten und ist gestern abgereist. Ich merke sofort den riesigen Unterschied. Vorher verging die Zeit auch bei langweiligen und hässlichen Landstraßen schnell – es gab so viel zu ratschen – und jetzt? Allein ist es zach, vor allem wenn die Füße schon ziemlich weh tun. Aber 2/3 des Weges waren sehr schön und vielleicht sollte ich meinen Beinen einmal einen Rasttag gönnen – mal schauen, wie fit sie morgen sind. Die Unterkunft ist total schön. Ein Belgier, dem wir nun schon in jedem Dorf begegnet sind, und ich sind zur Zeit die einzigen Pilger am Weg -ich sehe ihn allerdings immer erst am Ziel, weil er die Strecke im Eilschritt durchrennt. Es ist sein 2. Pilgerweg, vor ein paar Jahren ging er von Belgien nach Santiago. Ein Pilgerprofi also.
7.Tag: Fuente de Cantos – Zafra: ca 25 km. 1. Regentag – bzw. die erste Stunde Regen. Meine Kleidung hält, sie ist dicht – hurra! Der rennende belgische Pilgerprofi wollte mich zuerst nur eine Stunde begleiten – wahrscheinlich weil ich am Abend so gejammert hab (sagte, ich fahr vielleicht mit Bus weiter und dass ich schon genug hätte 😉 aber dann marschierten wir den ganzen Tag zusammen – ich ging ein bisschen schneller als sonst und er vermutlich langsamer. Reden war aber trotzdem kaum möglich, weil nach der 1. Stunde der Wind so heftig wurde, dass man kein Wort verstand. Heute war das Gehen trotzdem wieder einfacher. Irgendwie bin ich ja doch ein soziales Wesen gg*.
Jakobsweg Woche 2
8.Tag: Zafra – Villafranca de los Barros, ca. 20 km. Heute war wieder ein traumhafter Tag – und – ganz ungewöhnlich – es waren einige Pilger unterwegs. Meine Füße haben sich wieder erholt und ich kann nun schon das Tempo des Belgiers mithalten. Deshalb waren wir schon um 1 Uhr am Ziel.
9. Tag: Villafranca – Torremegia, 27 km. Heute war die gesamte Strecke extrem öd. 6 Stunden flotte Gehzeit durch die Einöde. Ich hatte Gott-sei-Dank wieder genug Jause dabei, denn das Dorf am Weg auf halber Strecke gab es nicht. Nach vier Stunden machte ich eine längere Pause, der Belgier konnte nicht bremsen und ist weitergelaufen. Aber so 2 – 3 Stunden allein gehen empfinde ich jetzt als angenehm, den ganzen Tag allein hätte ich wohl noch nicht durchgestanden. Am Abend haben wir in der Kneipe zwei weitere Pilger getroffen, der eine davon, ein älterer Italiener hat gemeint, er würde abbrechen und mit dem Bus nach Merida weiterfahren. So eine deprimierende Landschaft wolle er sich nicht antun. Der „Via de la Plata“-Weg ist – so scheint es – nur etwas für Hartgesottene. Ich bin noch nicht hartgesotten, aber weil ich jetzt einen Coach aus Belgien habe, der mich anfeuert und meint, dass ich durchhalten müsse, weil das das Wesen des Pilgerns sei, halte ich noch durch und gehe weiter. Er muss sich dafür halt gefallen lassen, dass ich ihn den ganzen Weg lang zutexte.
Jakobsweg Woche 2
10. Tag: Torremedia – Merida, 16 km. Die Strecke war nicht recht abwechslungsreich aber kurz. Dank meines Pilgercoaches und -profis sind wir schon um 11:00 in Merida angekommen und ich habe bisher – für mich unglaubliche – 220 km geschafft! Ohne ihn hätte ich sicher schon aufgegeben und wäre die schiachen Teilstrecken mit dem Taxi oder Bus gefahren. Ich komme schön langsam drauf, dass diese Verkehrsmittel bei manchen Pilgern durchaus üblich sind, was sie natürlich nie zugeben würden. Mein Pilgercoach erzählt mir, dass am sogenannten Hauptweg, dem Camino France,s Einheimische – wenn sie nach dem Weg gefragt werden mit: „Want Taxi?“ antworten würden. Viele Pilger würden dann ca. 100 m vor der Herberge aussteigen, damit sie die letzten Meter zu Fuß gehen könnten. Ich bin mittlerweile schon ein bisschen hartgesotten und empfinde nur Verachtung für dieses unwürdige Verhalten, pah!
11. Tag: Merida – Aljucen, ca. 17 km. Die Strecke war heute total schön, der Stausee am Weg stammt noch von den Römern und zählt wie Merida zum Weltkulturerbe. Leider hatten alle Bars geschlossen aber wie immer hatte ich eine Jause eingepackt. Um 13 Uhr sind wir dann an meinem Ziel angelangt. Hier gibt es nämlich ein römisches Bad, das wollte ich mir nicht entgegen lassen. Für meinen Pilgercoach war die Strecke zu kurz, er wollte schneller als ich in Santiago ankommen. Ich fühle mich mittlerweile aber auch schon ein bisschen als Profi und glaube, dass ich ab jetzt allein zurecht kommen werde. Auch bei hässlichen Landschaften. Abschiedsbier, bussi und weg war er im Staub der Straße verschwunden. Zum 2. Mal bin ich auf dieser Strecke wieder allein. Was hab ich mir dabei nur gedacht!
12.Tag: Aljucen – Alcuescar, ca. 20 km.
Heute war ich den ganzen Tag alleine unterwegs. Am Weg hab ich drei Pilger überholt – das Gefühl ist neu für mich, normalerweise werde ich überholt – wobei ich der fairnesshalber dazusagen muss, dass einer auf halber Strecke schon so erschöpft aussah, als würde er gleich zusammenbrechen. Einzelne Pilger kriegen sicher mehr als 100 kg auf die Waage und ich wundere mich, wie sie das schaffen. Aber irgendwie kommen sie dann doch an. Ich muss gestehen, dass ich nach 20 oder 25 km noch immer müde bin. Mir geht es zwar super gut, aber die Strecken ziehen sich manchmal schon ziemlich. Ich merke, dass ich mich schön langsam vom Tempo anstecken lasse und auch immer schneller werde. Komisch, ich habe doch keine Eile!
13. Tag: Alcuescar – Aldea del Cano – Valdesor, ca 26 km. Ich habe in einem Kloster übernachtet, in dem ab 10 Uhr strenge Nachtruhe galt, man aber um 8 Uhr spätestens auschecken musste. Dementsprechend bin ich früh losgestartet. Nach ca. eineinhalb Stunden bin ich auf jene 64-jährige Schweizerin gestoßen, die mir schon in der ersten Woche immer wieder kurz begegnete. Sie nimmt bei den landschaftlich nicht so schönen Strecken immer wieder den Bus und hat auch schon abenteuerliche Caminos hinter sich (auf der Strecke von Valencia sei ihr über 600 km kein einziger Pilger untergekommen). Jedenfalls sind wir den Rest des Tages gemeinsam gegangen und so wurde die heutige Strecke sehr kurzweilig. Valdesor ist nicht recht schön, die Herberge steht am Dorfrand und den Schlüssel muss man sich in der Bar holen. Mit uns waren dann noch zwei alte Spanier in der Herberge – aber – non comprendre.
14.Tag: Valdesor – Caceres, ca 12,5 km.
In der Früh um 3/4 8 gestartet, da liegt meistens noch der Reif auf den Feldern. Die Schweizerin ist mit dem Bus gefahren, und die Strecke war wirklich nicht schön – zwischen Schnellstraße und Autobahn. Dafür kurz. Hab heute den ganzen Tag mit dem Organisieren der weiteren Tage verbracht. Ich wollte eigentlich in den nächsten Tagen noch bis zum Tajo-Stausee (30 km) aber der Belgier hat mir geschrieben, dass die Herberge dort geschlossen hatte. Und die Schweizerin hat mir gesagt, dass ich für die Karwoche unbedingt alles vorbuchen müsste, denn da sei Ausnahmezustand in Spanien. Alles belegt, alles zu, selbst Lebensmittel würde es dann nicht überall geben. Ich brech deshalb morgen den ersten Teil der Wanderung ab, um via Salamanca und Madrid nach Barcelona zu fahren. Dort mache ich für eine Woche Urlaub vom Pilgern und treffe meine Teenagerkinder. Bin nun schon 287 km gewandert und hochmotiviert. Mach morgen noch Sightseeing in Caceres, einer wunderschönen Stadt.
Este SALAMANCA, me gusta mucho!
15. Gehtag: Ich bin vom Urlaub vom Pilgerurlaub in Barcelona wieder zurück und starte nun erneut in Salamanca. Aber wandern kann man es nicht nennen – der Tag war heute so wie das Schild. Mehr als bescheiden.
16. Gehtag: ‘El Cubo de la Tierra del Vino’ nach Zamora, ca. 32 km. Wie an den beiden Tagen zuvor bin ich keiner Menschenseele begegnet. Doch – einem Mann unbekannter Nationalität – in der Bar. Doch der wollte auch nicht mit mir reden. War ein komischer Kauz. Am Abend in einer Herberge in Zamora: Schlafsaal mit sechs weiteren Männern geteilt. Ich war wieder das einzige weibliche Wesen. Frauen sind überhaupt auf diesem Weg eher selten anzutreffen. Bin wieder mit dem Engländer und einem Holländer essen gegangen. Wir jammern so vor uns hin, aber sogar das ist ein bisschen Abwechslung.
Jakobsweg
17. Gehtag: Zamora nach Montamarta, ca. 19 km. Heute ist die Etappe kürzer, ich muss mich ein bisschen erholen. In der Früh habe ich in einem Café einen Deutschen getroffen, der mir den Tipp gegeben hat, dass am Weg ein Sportgeschäft sei. Habe mir dort neue Schuhe gekauft, denn meine 10 Jahre alten Schuhe lösen sich praktisch auf. Hatte gehofft, sie halten durch, aber es wird ihnen, wohl doch zu viel. Mittlerweile rede ich schon mit meiner Kleidung. Hab meinen Schuhen noch gut zugeredet, aber sie scheinen nicht mehr sehr motiviert zu sein. Die Gegend hier ist so deprimierend und langweilig. Hoffentlich wird es bald besser. Heute übernachte ich wieder in einem Privatzimmer. Zwei Italiener und der Engländer, mit dem ich essen gegangen bin, sind auch hier. Er hat auch schwer mit dem Weg zu kämpfen und schimpft vor sich hin.
18. Gehtag: Von Montamarta nach Granja de Moreruela, ca. 23 km. Ich habe in einer Pension übernachtet, in den beiden anderen Zimmern waren auch Pilger, ein Italiener aus Sizilien und der Engländer. Wir sind zusammen essen gegangen und am nächsten Tag bin ich mit dem Engländer marschiert. Heute war es wesentlich netter, sowohl das Wetter als auch teilweise die Landschaft. Der Engländer war gut drauf. Um 14 Uhr haben wir unser Etappenziel schon erreicht. Sind schon Hier gibt es wieder nur eine Herberge, die im Laufe des Nachmittags immer voller wurde. Werde also heute den Raum mit zwei Italienern, einem Engländer, einem lustigen Schotten ( hat gefragt, wenn er seinen Schottenrock anzieht, ob der das Bad für Frauen teilen darf ;), einem Holländer, einem Spanier und einem Dänen. Morgen werde ich wieder alleine am Weg sein, denn hier teilt sich die Strecke. Alle anderen gehen nach links ;), entlang der portugiesischen Grenze nach Santiago – ich gehe nordwärts Richtung Camino Frances. Ich möchte mir ansehen, was dort so los ist. In zwei Tagen müsste ich dann in Astorga und am “Hauptweg” sein. Jetzt sind wir alle in einer Bar und der Abend wird endlich wieder mal lustig. Es fühlt sich fast an wie auf einem EU-Gipfel. Wir diskutieren beinahe alle aktuellen EU-Themen, jede/r aus der Sicht seines Landes und der Engländer wird von allen ganz schön in die Zange genommen. “Ihr, mit euren ständigen Extrawürsten”, so der Tenor – lustig so eine EU-Runde in der Pampa.
19. Gehtag: Granja de Moreruela bis Benavente, ca. 33 km. Wieder ein sehr anstrengender Tag. Zuerst ging es über schlammigen Untergrund dahin. Man schwimmt ein bisschen und an den Schuhen klebt die Letten. Dann war die Landschaft wieder super abwechslungsreich, flach, flach, flach. Die Dörfer sind hier verlassen. Nicht nur, dass man am Weg niemanden begegnet, auch die Dörfer sind leer. Vielleicht einmal ein altes Weiblein oder Männlein, das den Weg kreuzt. Zur Hälfte ungefähr hat mich der ältere Holländer eingeholt und wir sind den Rest des Tages zusammen gegangen. Damit wurde es kurzweiliger. In der Ferne habe ich die Berge gesehen, endlich!!!
20. Gehtag: Benavente nach Alija del Infantado, ca. 22 km. Zuerst wieder an Landstraßen entlang, dann wurde es endlich wieder schöner. Netter Rastplatz am Fluss. Ich bin ein Stück mit dem Holländer gegangen, später ist er vorbeigezogen und ich habe ihn verloren. Ich glaube, wir sind zur Zeit die einzigen Pilger auf diesem Weg.
21. Gehtag: Alija del Infantado bis ‘La Baneza’, ca. 25 km. Heute war die Landschaft eigentlich wieder schön, nur das Ende nicht so lustig. Nichts wie weg, es reicht. Jetzt hasse ich mittlerweile den Camino aus Sevilla, ich will auf den Hauptweg “Camino Frances” wechseln. Auch wenn es nur noch 20 km sind, fahre ich jetzt mit dem Bus.
22. Gehtag und 1. Tag am Camino Frances: (Hospital de Orbigo nach Valdeiglesias, nur ca. 5 km gewandert) HURRA! Ich bin nun am Hauptweg angekommen, dem Camino Frances, setze mich in ein Café und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Plötzlich sehe ich hier Leute! Richtige Menschen! Die Einsamkeit hat ein Ende, hier wurlt es nur so von Pilgern und Pilgerinnen. Alle Nationalitäten wandern im Minutentakt vorbei, allein, zu zweit in Gruppen. Die Stimmung zwischen Camino Frances und Camino de la Plata kann man nicht vergleichen. Hier ist Leben, Lachen, Fröhlichkeit, dort war Tristesse, die Landschaft war schrecklich und den lieben langen Tag traf ich keinen Menschen, nicht einmal in Sichtweite, auch nicht mit Fernglas. Am Abend sitze ich mit einem Franzosen und einem Belgier mit seiner 16-jährigen Tochter bei einem Glas Wein zusammen. Bis jetzt habe ich immer geglaubt, dass ich es allein ganz gut mit mir aushalte, jetzt weiß ich, das hat seine Grenzen. Und ohne Berge geht einfach gar nicht.
23. Gehtag: Rast- und Luxustag in ASTORGA nur ca 10 km gegangen. Eigentlich wollte ich heute wieder durchstarten aber dann hats mich doch nicht gefreut und ich hab das Plakat vom Hallenbad gelesen ;), außerdem ist die Stadt sehr nett und man kann in Spezialläden alles punkern, was man vermisst. Ich kauf mir eine kurze Hose, jetzt wird es nämlich wärmer und miete mich in einem schönen Hotelzimmer ein. Am Weg nach Astorga hat eine Australierin mit ihrem Freund eine kleine Hütte zum Aufwärmen und Tee trinken aufgebaut. Ich glaub, ich hab über 1 Stunde dort verbracht und geratscht. Sooo gemütlich. Ja, und übrigends – so ein Zufall: der Franzose von gestern hat am gleichen Tag wie ich Geburtstag. Wir werden ein Gläschen „virtuell“ zusammen trinken. Er hatte wenig Zeit und macht zwischen 35 und 40 km am Tag, ist also schon wieder über alle Berge. Ich komm mir jetzt echt langsam vor – das 16jährige Mädchen geht mit ihrem Vater auch solche Strecken. Na, gut, sie trainiert für den Marathon – und ich nicht.
24. Gehtag: Astorga nach Foncebadon (1439 m Höhe), ca. 25 km und 580 Höhenmeter. Die Landschaft war heute richtig schön. Glaubt es oder nicht, aber ich habe heute einen Kinderwagen den Berg hinauf geschoben. Die Dinger verfolgen mich anscheinend. Bald nach Astorga traf ich auf eine junge Mutter aus Deutschland mit 4-jährigem Sohn im Kinderwagen. Wir haben geratscht und so sind die Stunden vergangen. Plötzlich war der Berg da und weil der Bub gerade so gut geschlafen hat, sind wir gleich ohne Pause im Höllentempo hinaufgestiegen. Jede Serpentine, die er noch geschlafen hat, war eine gewonnene Serpentine. Er ist schlussendlich erst ganz oben munter geworden.
25. Gehtag: Foncebadon (1439 m) nach El Acebo (1142 m), wieder nur rund 11 km gegangen. Jetzt schäme ich schon ein bissl, aber heute war ein genial schöner Tag und ich wollte noch nicht wieder ins Tal hinunter. Noch 1 Tag in der Höhe bleiben, das hat was. Die Landschaft war heute wunderschön. Eigentlich bisher am schönsten von allen Tagen. Zum Schluss kam ich an einer wunderbaren Pilgerherberge vorbei, wo ich mit einem Isländer zu Abend gegessen habe. Er hatte den gleichen Weg hinter sich wie ich und dabei auch ähnliche Eindrücke gesammelt. Das war ein super Abend.
26. Gehtag: El Acebo (1142 m) über die etwas größere Stadt Ponferrada nach Cacabelos (477 m), 32 km. Heute war sowohl die Landschaft als auch das Wetter wieder sehr schön. Bis auf einzelne Ausnahmen waren auch die Dörfer sehr idyllisch. Am liebsten wäre ich in jedem geblieben. Nach ungefähr 10 km traf ich im Tal dann zufällig wieder auf die deutsche Jungmutter und wir sind den restlichen Tag zusammen gegangen. Durch das abwechselnde Tempo – der Bub wollte dazwischen auch immer wieder selbst gehen – sind mir die 32 km gar nicht so aufgefallen.
Anzahl der Pilgerinnen: nach ca.einer StundeGehzeit habeich heute hier gefrühstückt. Wir sind ein bissl ins Ratschen gekommen und die “Wirtin”hat mir erzählt, dass nun ständig mehr Menschen am Weg sein würden. Zur Zeit würden durchschnittlich 70 – 80 Leute bei ihr vorbeigehen, aber im Mai werden es etwa 300 pro Tag sein. D en April kann ich für diesen Weg wirklich empfehlen. Gestern hatte ich ein Zimmer für mich allein und heute sind wir nur zu zweit. Ein Glücksfall, denn in manchen Nächten teilt man sich das Zimmer mit bis zu zehn Leuten.
27. Gehtag-Teil 1: Cacabelos nach Villafranca, ca. 7 km. Mit der deutschen Mama gewandert. Nach etwa 1,5 km gab es eine entzückende Herberge in Pieros, wo wir ausgiebig in der Sonne gefrühstückt haben. Villafranca trug früher auch den Namen “Klein-Compostela”, weil Kranke und Schwache nicht über den darauf folgenden Cebreiropass kamen und hier ihre Wanderung beenden mussten. Deshalb haben sie schon hier ihren ‘Ablass’ erhalten.
27. Gehtag-Teil2: Villafranca nach Trabadelo, ca 11 km . Ich bin den harten, den ‘camino duro’ , 460 Höhenmeter über eine Bergstraße gegangen. Aber ehrlich gesagt, ich hätte es mir sparen können, weil es auch oben nicht recht schön war. Es fehlte die Beschilderung und die Forststraße war nicht recht aufregend. Anscheinend war auch der Talweg fad – zumindest aber weniger anstrengend.
28 Gehtag-Teil 1: wieder Kinderwagenstrecke. Richtung O’Cebreiro-Pass.
28. Gehtag-Teil 2: Von “La Faba” (902 m) bis zur Passhöhe “O Cebreiro” (1300 m Höhe) allein und am schöneren Gehweg weitergegangen. Die Landschaft war herrlich, wie daheim. Heute kam ich zum ersten Mal in den Genuss eines Massenlagers. Unglaublich, was sich all diese Menschen bei klarem Verstand antun. Ich glaube, da wäre Platz für 80 Leute gewesen, aber zum Glück war der Raum nur zur Hälfte belegt. Komischerweise war es sogar erträglich – ich war allerdings um 5 uhr wach. Und was noch komischer ist: es haben alle überlebt ; ). Jetzt sieht man auch ab und zu Kinder am Weg. Eine englische Familie geht 3 x pro Woche. Ihre Kinder sind 14 und 12, aber die Mutter meinte, voriges Jahr, als die Ältere jünger war, war es leichter. Eine französische Familie mit drei Kindern (15, 13, 10) ist schon seit 6 Jahren am Weg. Sie sind in Bordeau gestartet und heuer machen sie die Route fertig. Die Kinder rennen wie verrückt ständig voraus.
29. Gehtag: Ich hab mir Schnee gewünscht – und – voilà ! Heute hat es am Berg oben geschneit. Bin schon wieder im Tal (Triacastela) und vielleicht gehe ich noch weiter.
30. Gehtag: Samos über Sarria nach Ferreios. Ab hier ist die Landschaft wieder wunderschön. Sarria ist sozusagen die letzte kleine Stadt, von der aus man starten kann und trotzdem noch einen Segen, eine Urkunde oder beides bekommt.
31. Gehtag: Ferreiros nach Palas de Rei, ca. 30 km. Die Landschaft ist sehr schön. Allerdings grasen hier keine schwarzen Schweinderl mehr. Stattdessen laufe ich vorbei an stinkenden Massenställen. Seit Sarria sind noch mehr Menschen am Weg, vor allem etliche Schulklassen. Manche Leute sind ein bisschen genervt ob der Massen, aber ich finde es total nett. Irgendwie fühlt man sich wie auf einer katholischen Haddsch. Ah ja, und gatschig ist es auch phasenweise.
32. Gehtag: von Palas de Rei nach Arzua, ca. 29 km. Die Distanz fällt mir immer leichter – es liegen nur noch 40 km vor mir!
33. Gehtag: Ca. 20 km
34. und letzter Gehtag: Pedrouzo nach Santiago de Compostela, ca. 20 km. Es schüttet den ganzen Tag. Leider ist die letzte Etappe nicht recht schön – fühlt sich so an, als würde man die Alpenstraße entlanggehen. Die Altstadt und damit die Kathedrale ist gefühlt am ‚Ende‘ der Stadt.
Meine treuen Schuhe, sie haben doch durchgehalten! Dafür durften sie mit nach Hause fliegen und bekamen einen Ehrenplatz.
SANTIAGO
Jakobsweg Camino Frances Jakobsweg Camino Frances Jakobsweg Camino Frances
Game over. Guat is gonga, nix is g’schegn. Dankbar für alles!